Kurz nach der Wahl zum Präsidenten wendet sich Jimmy Carter 1977 in einer Fernseh-Ansprache ans amerikanische Volk. Er bezeichnet den Kampf gegen die Abhängigkeit vom Erdöl als moralisches Äquivalent zum Krieg (1). Eindringlich warnt er vor den Folgen der zunehmenden Erdöl-Abhängigkeit und startet das grösste Alternativ-Energie-Programm aller Zeiten.

Die iranische Revolution und das von Carter vermittelte ägyptisch-israelische Friedensabkommen führen 1979 zur zweiten Ölkrise (2). In einigen Bundesstaaten der USA wird das Benzin rationiert, vor den Tankstellen bilden sich riesige Schlangen, ein landesweiter Lastwagenstreik bringt die Versorgung mit Frischwaren teilweise zum Erliegen.

Während sich chaotische Szenen vor den Tankstellen abspielen, verkündet Jimmy Carter vor der neuen Solaranlage auf dem Dach des Weissen Hauses sein Alternativenergie-Programm «Solar America» – mit dem Ziel, bis zum Jahr 2000 zwanzig Prozent des Energieverbrauchs erneuerbar herzustellen.

Wenige Wochen später wendet sich Carter ein weiteres Mal mit einem energiepolitischen Inhalt an die amerikanische Bevölkerung. Die Ansprache wird als «Crisis of Confidence» oder «Malaise»-Ansprache in die Geschichte eingehen. Carter redet der Bevölkerung ins Gewissen und erklärt, dass Amerika grössere Probleme als die Energie-Krise und Rezession habe. Die zentrale Frage sei, wieso die Nation nicht mehr an einem gemeinsamen Strick ziehe, um die anstehenden Probleme lösen zu können.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1979 überschlagen sich die innen- und aussenpolitischen Geschehnisse. Am 4. November werden in Teheran 65 amerikanische Botschafts-mitarbeiter als Geiseln genommen. Am 25. Dezember 1979 beginnt die Sowjetunion ihren Feldzug in Afghanistan. Die Geiselnahme im Iran und der Einmarsch von russischen Soldaten in Afghanistan bringen den Präsidenten in Bedrängnis.

Die 1980 in der «State of the Union»-Ansprache geäusserte Carter-Doktrin kann als eine Folge der sich zuspitzenden weltpolitischen Situation betrachtet werden: «Jeder Versuch einer auswärtigen Macht, die Kontrolle über die Region am Persischen Golf zu erlangen, wird als Anschlag auf die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtet, und solch ein Anschlag wird mit allen notwendigen Mitteln, einschliesslich militärischer Gewalt, abgewehrt werden.» Jimmy Carter selbst wird im gleichen Jahr abgewählt.

Gleichzeitig mit der Vereidigung von Roland Reagan 1981 werden die amerikanischen Geiseln im Iran frei gelassen. Reagan kürzt Carters Energieprogramm um 90% und lässt 1986 die Solaranlage vom Dach des West Wing entfernen. Für mehrere Jahre werden die Paneele in einem «General Services Administration Warehouse» in der Nähe von Washington D.C. gelagert.

1991 entdeckt Peter Marbach vom Unity College in Maine in einer Zeitschrift eine Notiz über die vergessenen Solar-Paneele und nimmt Kontakt mit der Administration und Jimmy Carter selbst auf. Wenige Wochen später fährt er mit einem Schulbus nach Washington und bringt die Kollektoren nach Maine. Dort wird ein Teil der Anlage auf dem Dach der Schul-Cafeteria installiert. Der Rest versinkt in einer Scheune erneut in Vergessenheit.

2003 wird auf Grund einer Initiative des «National Park Service» erneut eine Solaranlage auf dem White-House-Komplex installiert. Weder findet eine offizielle Einweihung statt, noch wird eine Pressemitteilung herausgegeben. Die beteiligten Firmen dürfen sich bis ans Ende der Bush-Aera nicht zu der Anlage äussern.

2006 stossen Christina Hemauer und Roman Keller während ihrer Recherche auf eine veraltete Webseite des Colleges, welche die originalen Jimmy-Carter-Sonnenkollektoren zur Versteigerung anbietet, zwecks Finanzierung einer neuen Solaranlage. Wenige Monate später unternehmen sie eine Reise mit zwei Kollektoren von Maine nach Georgia.

2007 präsentieren die beiden Künstler in der Kunsthalle Fribourg eine Ausstellung über die Carter-Solaranlage, worauf sie von Jimmy Carter für ein Interview eingeladen werden.

2009 – Dreissig Jahre nach der Einweihung – können Christina Hemauer und Roman Keller einen der Kollektoren dem National Museum of American History übergeben


1 – «The Moral Equivalent Of War» bezieht sich auf eine Rede des Philosophen William James aus dem Jahre 1906. James behauptet darin, dass wir so lange mit Kriegen rechnen müssten, bis wir eine moralische Alternative dazu fänden.
2 – Sechs Jahre zuvor – 1973 – erschütterte die erste Ölkrise die Welt. Aufgrund der Waffenlieferungen der USA und Grossbritaniens an Israel während des Jom-Kippur-Kriegs entschied sich die Organisation der erdölexportierenden Länder zu einem Öl-Embargo. Die USA hatten kurz zuvor ihre maximale Ölfördermenge – den «Peak Oil» – überschritten. Das Embargo hatte zur Folge, dass sich der Ölpreis vervierfachte. Die Ölkrise traf die USA in einer sonst schon verwundeten Situation. 1973 waren die letzten Soldaten aus dem Vietnam abgezogen worden und die Watergate-Affäre hatte 1974 den ersten erzwungenen Rücktritt eines amerikanischen Präsidenten zur Folge.